meinen Kindern

Zu Beginn

Diesen Bereich auf meinen Seiten habe ich ein wenig versteckt. Vielleicht ist dies nicht nötig?! Vielleicht doch?! Hier möchte ich gern meinen Kindern im Herzen einen Platz schaffen. Hier will ich mich selber zum Reden (Schreiben) bringen. Hier möchte ich dem Raum geben, was mir wichtig ist: Mich erinnern. Hier soll Platz sein für das, was ich vieler Orts verstecke/ verstecken muss: Trauern.

In dieser Gesellschaft werden dem Tod, dem Verlust, der Trauer wenig Raum und wenig Zeit gegeben. Es existiert eine gewollte Grauzone. Ein Tabu. Ein Schweigegebot. Bitte alles im Privaten belassen!!! Doch was ist, wenn das schon lange nicht mehr existierende Modell "Familie" nicht greift?

Besonders die Themen: frühe Fehlgeburt, medizinisch indizierter (später) Schwangerschaftsabbruch, gesetzlich indizierter Schwangerschaftsabbruch werden nicht nur als "Themen" an und für sich ausgespart. Betroffene Menschen werden allein gelassen. Trotz aller gesetzlichen Regelungen. Trotz Großoffensive "Familienpolitik". Oder sie isolieren sich selber, ziehen sich zurück. Schmerz, Ohnmacht, Verlust, zerplatze Träume, nicht mehr gültige Werte: Von heute auf morgen ist alles anders. Wohin mit dem Schmerz? Warum? Wo ist das Licht am Ende des Tunnels? Was gilt, was ist noch was wert? Eins kommt zum anderen!

Alles wird besser, doch nie wieder gut. Die Welt ist nicht mehr dieselbe, wenn die Seifeblase "Kind" - bei mir "zweites Kind" - zerplatzt ist.

Für mich - nach Lea fast 12 Monate - ist dies alles nach wie vor sehr zwiespältig.
Was ist aus mir geworden? Wo stehe ich? Wohin wird es gehen? Wie kann ich diese Wellen des Schmerzes überstehen?

Ich, die immer offen, lebenslustig, unternehmungsfreudig, die voller Ideen war, der andere immer wichtig sind - manchmal wichtiger als ich mir selber - ich werde tatsächlich von "guten" Freunden immer noch gefragt: Wann bist du wieder die alte Vio? Ja, welche Vio war ich denn mal? Was wusste ich von mir und meinen Mitmenschen? Was weiß ich noch von mir?

Hier werde ich die Geschichte meiner Kinder festhalten. Für mich. Und doch nicht nur für mich. Ich selber durfte erfahren, welche Stütze, Hilfe, welcher Halt die Geschichten anderer Betroffener sein können.

Vieles zeigt sich im Kleinen, in ganz Wenigen. Mein Glück im Unglück:


Josch
Constanze
Hasüüü
donum vitae - Mirjam Pilot
Rita
Mone
Axel
Müller Findlinge
Hu
AG Schmetterlingskinder
Ev. Lebensberatung, frühverwaiste Eltern
Franzi
Nicole
Uta

Danke!

Dezember 2007

***
Sternen-/Schmetterlingskinder
Lilly Wolter
Klara Lotta Spengler
Tom Kamber-Sommerkorn


Aprilkind (Leander)

Im April 2006 machte mein Körper unglaublich auf schwanger. Das war einerseits ein sehr schönes Gefühl. Anderseits war ich auch unsicher, ob es gut so ist. Stand ich doch zwischen zwei Männern. Habe ich doch schon diese eine, große Tochter, die nun bald 14 sein sollte.

Der Test zu Hause fiel "positiv" aus. Doch irgendwie schaffte ich es nicht zum Arzt. Es zog sich hinaus. Andere Dinge waren immer wichtiger.

Als ich dann beim Arzt war, musste ich unendlich warten. Ich war die Letzte an diesem Tag, die in der Sprechstunde dran kam. Als ich sagte, weswegen ich da war, überraschte mich ein kleines Wortgewitter. Es sei doch nun viel zu spät, um noch die Ergebnisse des Bluttestes einzuschicken. Ob ich denn bei der Anmeldung nicht über den positiven Schwangerschaftstest gesagt hätte. Hatte ich. Doch warten in dieser Arztpraxis war ich gewohnt. Und von der Sprechstundenhilfe, da hatte ich mein Bild...

Frau Dr. hat dann über einen normalen Test die Schwangerschaft auch festgestellt. Nur im Ultraschall, da konnte sie nichts sehen. Sie hat mir dann noch Blut gezogen, anhand meiner letzten Regel berechnet wie weit ich sein könnte. Gut, etwas früh, da kann man oft über den Ultraschall noch nichts sehen. So hat sie mich eine Woche später wieder bestellt.

Ich also eine Woche später wieder hin. Diesmal nicht auf den letzten Drücker und mich auf Warten vorbereitet. Doch diesmal musste ich nicht lange warten. Beim Ultraschall war wieder nichts zu sehen. Das Ergebnis der Blutwerte ließen sie auch stutzen. Also noch mal nen herkömmlichen Test. Nur noch "light" schwanger? Auch noch mal Blut gezogen...
Und ich: Hin und her gerissen. Schwanger oder nicht? Freuen oder nicht? Kind wollen oder nicht? Ein Chaos der Gefühle. Das Chaos der Gefühle hielt mich doch schon eine Woche gefangen...

Und dann die Frage: Wollen Sie das Kind oder nicht. Meine Antwort war kurz und klar: "Ja". "Na, dann überweise ich sie mal zu einem Kollegen, einem Spezialisten. Der hat Belegbetten im Diakonissenkrankenhaus..."

Also bin ich dann zur Beobachtung ins Krankenhaus. Irgendwann gegen zwei. Zimmer bekommen. Ein langer Ultraschall. Wieder Blutentnahme. Und dann aufs Zimmer und warten. Der Belegarzt käme gegen sechs. Und die ganze Zeit so ein komisches Gefühl im Bauch.

Dann war der Doc da. Wieder Ultraschall. Die Blutwerte lagen noch nicht vor. Er werde am nächsten Morgen bei mir vorbeischauen.

Und am nächsten Morgen stand er in meinem Zimmer. Ich glaube, meine Regel kündigte sich an. Das Schwangerschaftshormon sei sehr niedrig. Sogar gesunken zu den Ergebnisse von Frau Dr. Also noch mal Blut nehmen. Ruhen. Bis zum Abend. Und am Abend, da war dann die Menz da und ich wurde entlassen...

Nicht mehr schwanger.

Im Nachuntersuchungstermin sprach er von einer frühen Fehlgeburt. Missed Abortion. Ich sollte in der 6. oder 7. SSW gewesen sein. Er vermutete, dass bei den ersten Zellteilungen schon etwas "schief lief" und die Natur sich selber geholfen habe. Es erst gar nicht zu einem Einnisten in der Gebärmutter kam.

Damals wusste ich nicht, was ich verloren hatte. War schlapp, müde. Fühlte mich nicht fit. Muss wohl zu Ostern auch ziemlich schlecht ausgesehen haben. Und: Ich war zwar traurig, doch hatte gelesen, dass es jede Frau einmal im Leben trifft. Und oft wird dies - die frühe Fehlgeburt - gar nicht bemerkt.

Ich habe von meinem Kind gewusst. Ich habe es bemerkt. Mein Körper hat dieses Kind - mein Aprilkind - gespürt. Von ihm zu wissen, auch wenn es nicht zu mir kommen konnte, wollte, sollte...

Ich richtete einen kleinen Altar in meinem Arbeits- und Schlafzimmer in der Lauchstädter Straße her. Ein Platz im Regal: Ein kleiner Bildhalter-Elefant. Er hält eine Postkarte: Ein Baumes, eingerüstet und beleuchtet - Clara Zetkin Park. Daneben einen Kerzenengel, den ich Weihnachten bekommen hatte und der nicht angezündet werden durfte. Ein kleiner Mini-Plüschhase und ein Teelicht, was ich abends anbrannte, standen auch dabei. Später Rosenquarz. Der Platz ist geworden. Über längere Zeit gewachsen: Ein kleiner Gedenkplatz.

Begonnen hatte es mit einem Licht, angeregt durch eine Freundin. Irgendwann wurde um das Licht gefüllter Raum...


Lea

Mein Schmetterling, mein Stern, mein Engel, mein Kind, meine Tochter,

heute ist dein erster Geburtstag und dein erster Todestag. Du fehlst. Dein Platz ist leer. Und doch bist du immer bei mir. Hast einen ganz festen Platz. Nicht nur in mir.

Gestern habe ich den Staub in der Küche vermehrt. Ich habe dir eine neuen Stein graviert und bemalt. Er liegt immer noch auf dem Küchentisch. Wie selbstverständlich. Du wärst nun schon ein halbes Jahr alt. Würdest bald mit uns am Tisch sitzen...

Schon seit Wochen steht ein Licht für dich in der Küche. Das werden wir dir heute bringen...

Heute werde ich die "versteckten" Seiten hier ins Netz stellen. Sie sind noch unfertig. Ein Beginn. Ein nächster Schritt. Auch das Bild von deinem Stein - Tageseintrag in "Mein aufregendes Leben"...

Lea, die sich bemühende,
Lea, Winterschmetterling,
in diesem Jahr ist es kalt. Nicht so mild wie letzten Januar. Doch fühlt es sich für mich weniger kalt, weniger eisig an. Du hast viel gegeben; mir viel gegeben. Mir viel gebracht. Einiges genommen. Anderes da gelassen. Noch kann ich nicht alles verstehen. Fühlen viel. Und vielleicht ist das Verstehen nicht wichtig.

Meine Lea,
wir hatten nur kurze Zeit miteinander. Und ich denke oft, was ich dir wohl gegeben habe...

Du bist da. Für mich. In ganz vielen kleinen Zeichen. Schönen Dingen: Wir beide kennen sie.

Heute scheint die Sonne. Für dich. Und bist du auch nicht greifbar, fassbar, fühlbar, spürbar. Bist du es doch...

HDGDL, Mama, 04.01.2008

***

Lea wurde nach 10 Stunden am 04.01.07 um 02:15 Uhr mit 198 mm und 183 gr. in der 21,6 SSW in St. Georg "still" geboren.

Nach Ersttrimesterscreening (07.11.2006) und Fruchtwasserpunktion (05.12.2006) war am 19.12. die Diagnose Trisomie 18 - Edwards-Syndrom - bestätigt.

Die Prognose für Lea: STERBEN. Wie begegnet man dem Sterben des eigenen Kindes, wenn es noch nicht einmal geboren ist?

Die Schwangerschaft
September 2006
Oktober 2006
November 2006
Dezember 2006

Die Geburt
Januar 2007

Die Zeit danach
Februar 2007
März 2007


Krümel (Elias)

Im März und April 2007 habe ich begonnen zu realisieren, was mir im Januar 2007 widerfahren ist, was ich erlebt hatte, durchleben musste. Es kam viel hoch: Schmerz, Wut, Hilflosigkeit, Unverständnis, Kämpfen wollen, Trauer...

Wir haben verhütet. Meine Angst: Schwanger zu werden. Und genau in dieser Zeit hat sich ein kleiner Krümel bei mir eingeschlichen. In einem sehr schönen Moment. In einem Augenblick des sich gehen lassen. Ich hatte am nächsten Tag noch Scherze gemacht. Das wenn es jetzt geklappt hat, es ein kleiner Nikolaus wird. Doch irgendwie mich nicht weiter damit beschäftigt, darum gekümmert...

Und dann, dann war ich hin und her gerissen. Freude, Angst, Unverständnis, Unglaube, Hoffung. Meine größte Befürchtung, dass dieses Kind in meinem Bauch nicht gesund heranwachsen wird. Meine Lebensweise: Ungesund. Die Vorstellung: Das es ein Ersatz seiner toten Geschwister wird. Der Gefühl: Das es noch viel zu zeitig für eine nächste Schwangerschaft ist. Der Gedanke: Und Lea? ...

Ich habe mich gegen Elias (Krümel) entschieden. Und wieder sehr zwiespältige Dinge erfahren, erleben, durchleben müssen.

Die behandelnde Ärztin, also die, die mir Mefügyne am 16.04. verabreichte und mich kurz nach der Einnahme von Cytotec am 18.04. sprach und mich 3 Stunden später wieder bestellte, war mir äußerst unsympathisch. Kalt, kaltschnäuzig. Sie hätte mich auch ohne Narkose ausgeschabt. Letzteres habe ich im Nachgang aufgeschnappt. Ein Vorurteil gegen Ärztinnen russischer Abstammung?!?

Ich wollte die Methode des Abbruchs in der Hand haben: Keine Narkose, keine Ausschabung, bloß kein Krankenhaus. Wollte ich es bewusste erleben?!? Wollte ich etwas erleben, was mir bei Leas verwehrt wurde?!? Mein Nachgeburtserlebnis?!? Wollte ich etwas wieder erleben: keine Unterstützung, keine Begleitung, es allein durchstehen?!?

Mein Wunsch: Medikamentöser Schwangerschaftsabbruch. Und den hatte ich - ich war im gesetzlich erlaubten Zeitfenster; noch vor dem 49. Tag der Schwangerschaft. Und so bin ich durch die Mühle gegangen. Meine Gynäkologin (nun ja). Beratung (sehr positiv). Krankenkasse (sehr negativ). Tagesklinik (durchwachsen). Ohne Kraft. Doch bereit mich mit anderen zu streiten. Kräfte zu verschleudern. Aber eigentlich so müde. Und immer dieses schleichende Gefühl - ungerecht behandelt zu werden. Nie das Empfinden - Unrecht zu tun.

In dieser Zeit hatte ich auch eine Internetseite für Schwangere in Not entdeckt. Die hat sich aber als Seite für und von "Abtreibungsgegnern" entpuppte. Frechheit. Das machte mich einfach nur wütend.

Und die Nachsorgeärztinnen, die waren super - hier konnte ich reden, ich hatte das Gefühl mir wurde zugehört. In der Gyn. Tagesklinik ließ meine Vorgeschichte, meine Ängste, meine Hoffnungen nur eine kalt. Ich bin dann immer mal wieder in die Tagesklinik gegangen. Meine Gynäkologin, die ich habe ich irgendwie gemieden...

Ich war sehr bemüht, alles was das aus mir kam, was von meinem Kind abging aufzufangen. Es konnte, wollte es nicht im Klo runterspülen. Und es war viel. Alles wurde so sorgsam es ging in eine Plastikschachtel getan. Später eingefroren. Und April 2006 erschien mir unwirklich. War ich damals doch nicht schwanger? Hatte ich mir nur alles eingebildet?

Wir haben den Krümel bei seinen Geschwistern im Mai 2007 für uns allein begraben.

Und auch er hat einen Gedenkplatz. Im selben Regel einen eigenen Ort. Ein Licht. Einen Marienkäfer. Die leeren Hüllen der drei Tabletten "Cytotec". Eine Zwergenkerze - hellblau - auf der ausgestreckten Hand des Kerlchens sitzt ein Vogel. Rosenquarz. Der Bergkristall wurde mit vergraben...


Ernst

27 Tage bei uns, in mir...


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